Aber wenn man etwas wissenschaftlicher an die Sache herangeht, fragen wir uns: Was ist Flamenco? Und warum zieht diese Musik so viele Menschen auf der ganzen Welt in seinen Bann? Wir können hier nur einen winzigen Auszug der Geschichte und der Inhalte des Flamencos beschreiben… Los geht’s.
Flamenco ist simpel ausgedrückt die Bezeichnung für eine Gruppe von Gesängen und Tänzen aus Andalusien und geht auf Einflüsse unterschiedlicher Kulturen zurück. Die musikalische Praxis besteht aus Gesang (cante), Instrumentalspiel (toque), insbesondere der Gitarre (guitarra flamenca) und den Tanz (baile). Charakteristisch für die Musik des Flamenco, der über 70 verschiedene Formen (palos) und unzählige Unterstile aufweist, sind seine metrischen Grundmuster (compás), sowie die häufige Verwendung modaler Wendungen in Melodik und Harmonik.
Seit 2010 gehört der Flamenco zum Unesco Immateriellen Weltkulturerbe. Die Entstehung des Flamencos ist eng mit der historischen, sozialen und kulturellen Entwicklung der südspanischen Region Andalusien verbunden, die aufgrund ihrer Lage im Süden Europas, an der Meerenge von Gibraltar ein Schmelztiegel der Kulturen darstellt. Die traditionelle Musikkultur Andalusiens und damit auch der Flamenco wurden überwiegend schriftlos, also mündlich überliefert. Der Mangel an Belegen für eine Existenz des Flamencos vor dem 19. Jahrhundert führte dazu, dass zahlreiche Theorien entstanden, die seine Ursprünge in weiter zurückliegenden Einflüssen verschiedener Kulturen suchen. Einige Autoren vertreten sogar die Theorie, dass bereits bei den römischen Festen Tänzerinnen aus Gades, dem heutigen Cádiz, auftraten, die rhythmische, sinnliche Tänze mit zuckenden Bewegungen ausführten.
Der Ursprung des Flamencos im arabischen Al-Andalus wird von einigen Flamencologen auf verschiedenen Ebenen vermutet. Auf der einen Seite finden sich in den Tonarten und Melodien eine musikalische Verwandschaft mit der Musik des östlichen Mittelmeerraumes, die mit der musikalischen Reform Ziryabs ihren offiziellen Einzug in Andalusien hielt und auch die Grundlage für die Entstehung der Flamenco-Gitarre bildet. Andererseits entstanden auf andalusischem Boden Gattungen der Poesie, die die älteste romanische Lyrik darstellen und in denen einige Arabisten Ähnlichkeiten mit manchen der coplas gefunden haben. Besonders in einigen palos wie die fandangos, die granaínas, die caña oder die seguiriya ist dies besonders gut nachzuvollziehen. Aber auch jüdische (saetas und peteneras), lateinamerikanische (cantes de ida y vuelta= Gesänge des Hin- und Rückwegs) und sogar nordspanische Einflüsse über die folkloristische jota (verdiales, farruca) sind in diesem komplexen Musikgenre zu finden.
Als im 15. Jahrhundert die Gitanos nach Spanien einwanderten, war die Form der Romanze in Spanien enorm populär. Die Gitanos übernahmen sie alsbald in ihr musikalisches Repertoire und wandelten sie in eine eigene, flüssiger vorgetragene Form um: die romances gitanos. Die Beziehung der Romanze zu den später entstandenen Palos ist offensichtlich. Das achtsilbige Versmaß und die asonante Reimform finden sich in der Toná wieder, die ihrerseits die Stammform des Martinete, der Seguiriya und der Saeta ist. Auch zur Soleá und zur Alboreá gibt es Bezüge. Seit die Gitanos Ende des 18. Jahrhunderts die ersten Tonás sangen, waren sie eine Generation später nicht mehr die einzigen, aber immer noch überwiegend diejenigen, die die Flamenco-Musik im privaten Kreis und in der Öffentlichkeit pflegten und vorantrieben.
Mit dem Entstehen der ersten cafés cantantes (Flamenco-Cafés) Ende des 19.Jh. kam der Flamenco aus dem privaten Raum schließlich an die Öffentlichkeit. Es fand ein reger Austausch zwischen den Künstlern statt, die auch zum ersten Mal Geld für ihre Darbietungen erhielten und Gitanos und nicht-Zigeuner konkurrierten, rieben sich aneinander auf und lernten aber auch voneinander, was zur Folge hatte, dass der Flamenco mit seinen Stilen und Interpreten immer reicher wurde, Silvio Franconetti, Pastora Pavón "Niña de los Peines", Tomás Pavón, Antonio Chacón, Manolo Caracol, Antonio Mairena sind nur einige der vielen Vorreiter, die noch heute den jungen Sängern als Vorbild gelten...bis zu unserer Zeit, wo in den Hochburgen des Flamencos Jerez, Sevilla, Granada und auch Madrid ein enormes Angebot an Schulen, Tablaos und Theatern existiert, das den Flamenco dem Publikum aus aller Welt näher bringt. Seit dem Schuljahr 2014/2015 wird es offiziell an den meisten Schulen Andalusiens gelehrt.